Aminosäuren Profile mal genau erklärt. Wie viele braucht man und was sind essenzielle?

Aminosäuren Profile mal genau erklärt. Wie viele braucht man und was sind essenzielle?

Aminosäuren sind die elementaren Bausteine (Monomere) der Proteine und damit fundamentale Bausteine aller lebenden Zellen. Sie erfüllen eine Vielzahl physiologischer Funktionen – von der strukturellen Integrität des Muskelgewebes über die Synthese von Enzymen und Hormonen bis hin zur Modulation immunologischer Prozesse. Sie sind Vorstufen von Neurotransmittern, tragen zur Regulation des Säure-Basen-Haushalts bei und dienen als Substrate in unzähligen Stoffwechselwegen. Auch das Bindegewebe, die Haut, Haare und Nägel bestehen zu einem erheblichen Teil aus proteinstrukturierten Verbindungen, deren Qualität und Funktionalität direkt von einer ausreichenden Versorgung mit allen notwendigen Aminosäuren abhängt. Für eine präzise, evidenzbasierte Ernährungsplanung ist es daher essenziell, die Zusammensetzung und das Verhältnis der Aminosäuren in unterschiedlichen Nahrungsquellen zu kennen – das sogenannte Aminosäuren-Profil. 

Klassifikation der proteinogenen Aminosäuren 

Der menschliche Stoffwechsel nutzt 20 (21 mit Selenocystein) proteinogene Aminosäuren für den Aufbau körpereigener Proteine. Diese lassen sich nach ihrer endogenen Synthesefähigkeit in drei Hauptgruppen unterteilen: 

Essenzielle Aminosäuren (EAA): Können nicht vom Körper synthetisiert werden und müssen vollständig über die Nahrung zugeführt werden. 

Nicht-essentielle Aminosäuren (NEAA): Können im Organismus aus anderen Vorläufern gebildet werden. 

Semi-essentielle Aminosäuren: Unter besonderen physiologischen oder pathologischen Bedingungen – wie Wachstum, Schwangerschaft, Krankheit oder intensiver körperlicher Belastung – steigt ihr Bedarf und kann die körpereigene Syntheseleistung übersteigen. 

 

Die neun essenziellen Aminosäuren und ihre biochemischen Funktionen 

  1. Histidin: Vorstufe von Histamin, einem biogenen Amin, das bei Immunreaktionen, Magensaftsekretion und als Neurotransmitter wirkt. Histidin ist wichtig für die pH-Pufferung im Blut und die Gewebereparatur 

  1. Isoleucin: Eine verzweigtkettige Aminosäure (Branched Chain Amino Acids=BCAA), die in der Muskulatur als Energiesubstrat dient, an der Hämoglobinbildung beteiligt ist und den Glukosestoffwechsel beeinflusst. 

  1. Leucin: Ebenfalls eine BCAA, die über die mTOR-Signaltransduktion die Muskelproteinbiosynthese stimuliert und katabole Prozesse hemmt. 

  1. Lysin: Essenziell für die Kollagen- und Elastinsynthese, fördert die Calciumaufnahme und ist an der Bildung von Carnitin beteiligt, das für den Fettstoffwechsel unverzichtbar ist. 

  1. Methionin: Schwefelhaltige Aminosäure, zentrale Methylgruppen-Donor (SAMe) und wichtig für Entgiftungsprozesse. Methionin fungiert als Startcodon bei der Translation. 

  1. Phenylalanin: Ausgangsstoff für Tyrosin, das wiederum für die Synthese von Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin und Melanin benötigt wird. 

  1. Threonin: Bestandteil von Glykoproteinen und Strukturproteinen, essenziell für die Schleimhautintegrität im Verdauungstrakt. 

  1. Tryptophan: Precursor von Serotonin (Stimmung, Appetit, Schlaf), Melatonin (Schlaf-Wach-Rhythmus) und Niacin (Vitamin B3). Wichtig bei der Regulation von Stimmung und zirkadianen Rhythmen. 

  1. Valin: BCAA, liefert Energie in den Muskeln, unterstützt die Regeneration und ist an der Aufrechterhaltung des Stickstoffhaushalts beteiligt. 

Die biologische Wertigkeit eines Proteins gibt an, wie effizient es in körpereigenes Eiweiß umgesetzt werden kann. Ein vollständiges und ausgewogenes Aminosäuren-Profil maximiert diese Effizienz. Ist eine essenzielle Aminosäure nur in limitierter Menge vorhanden (limiting amino acid), wird die gesamte Proteinsynthese gehemmt – selbst bei ausreichender Zufuhr anderer Aminosäuren. Das Gesetz des Minimums von Justus von Liebig gilt hier ebenso wie in der Pflanzenernährung. Die Kenntnis der Gesamtproteinmenge und darüber hinaus auch die des spezifischen Aminosäurenmusters sind von Bedeutung. 

Primäre Proteinquellen und deren Profilcharakteristik 

  • Tierische Proteine: Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte bieten ein vollständiges Aminosäuren-Profil, das alle neun essenziellen Aminosäuren in optimalem Verhältnis enthält, und zeichnen sich durch eine hohe biologische Wertigkeit aus. Diese Proteine sind besonders effizient verwertbar, da ihr Aminosäurenmuster dem menschlichen Bedarf sehr nahekommt, was sie zu idealen Quellen für den Muskelaufbau, die Regeneration und die Aufrechterhaltung körperlicher Funktionen macht. 

  • Pflanzliche Proteine: Hülsenfrüchte, Pseudogetreide (Quinoa, Amaranth), Soja, Nüsse und Samen sind reich an wertvollen Aminosäuren und bieten zusätzlich sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe und gesunde Fette. Allerdings weisen viele pflanzliche Quellen ein limitierendes Aminosäurenprofil auf, beispielsweise einen niedrigen Gehalt an Lysin in Getreide oder an Methionin in Hülsenfrüchten. Durch gezielte Kombinationen (z. B. Getreide + Hülsenfrüchte, Nüsse + Hülsenfrüchte) lässt sich jedoch ein vollständiges Profil erreichen. Zusätzlich kann bei pflanzlicher Ernährung hochwertiges pflanzliches Proteinpulver – etwa aus Erbse, Reis oder Hanf – gezielt eingesetzt werden, um Aminosäurenlücken zu schließen und die biologische Wertigkeit zu erhöhen. 

  • Supplemente: Isolate, Hydrolysate oder freie EAAs (Essential Amino Acids) können gezielt verwendet werden, um Defizite auszugleichen. Dies ist besonders relevant im Leistungssport, bei erhöhter körperlicher oder psychischer Belastung, in der klinischen Ernährung oder in Phasen mit erhöhtem Regenerationsbedarf. 

Praxisrelevante Empfehlungen  

Ein integrativer Ansatz mit einer Mischung aus tierischen und pflanzlichen Eiweißquellen ist für die meisten Ernährungsformen ideal. Vegetarische und vegane Kostformen erfordern ein besonderes Augenmerk auf die Kombination verschiedener Proteinquellen, um eine adäquate EAA-Versorgung zu gewährleisten. In der Diätetik können gezielte Aminosäuren-Analysen und -Supplementierungen dazu beitragen, Mangelzustände zu vermeiden und die Genesung zu unterstützen. 

Fazit  

Ein tiefgehendes Verständnis der Aminosäuren-Profile ist nicht nur für Sportler relevant, sondern für alle Menschen, die ihre Gesundheit, Leistungsfähigkeit und Lebensqualität erhalten oder verbessern möchten. Wer versteht, wie Aminosäuren im Körper wirken und wie wichtig ein vollständiges Profil ist, kann seine Ernährung gezielt so gestalten, dass alle essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge zugeführt werden. Dies fördert nicht nur den Muskelaufbau und eine schnellere Regeneration, sondern unterstützt auch die Hormonregulation, die Immunabwehr, gesunde Stoffwechselprozesse, geistige Leistungsfähigkeit und die langfristige Gesunderhaltung bis ins hohe Alter. 

Quellen: 

  1. Klement RJ. The optimal amino acid pattern for humans and its implications for nutrition of cancer patients. Transl Breast Cancer Res. 2024 Jul 15;5:25. doi: 10.21037/tbcr-24-25. PMID: 39184928; PMCID: PMC11341996.

  2. Dai, Z., Zheng, W. & Locasale, J.W. Amino acid variability, tradeoffs and optimality in human diet. Nat Commun 13, 6683 (2022). https://doi.org/10.1038/s41467-022-34486-0

  3. Tessari, P., Lante, A. & Mosca, G. Essential amino acids: master regulators of nutrition and environmental footprint?. Sci Rep 6, 26074 (2016). https://doi.org/10.1038/srep26074

  4. Fanny Ribarova, Chapter 10 - Amino Acids: Carriers of Nutritional and Biological Value Foods, Editor(s): Alexandru Mihai Grumezescu, Alina Maria Holban, In Handbook of Food Bioengineering, Food Processing for Increased Quality and Consumption, Academic Press, 2018, Pages 287-311, ISBN 9780128114476, https://doi.org/10.1016/B978-0-12-811447-6.00010-2 (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/B9780128114476000102) 

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