Warum ist es so wichtig, vegane Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen?
Eine wissenschaftliche Analyse der Unterschiede zwischen veganen und nicht-veganen Supplements
Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln hat in den letzten Jahren einen beispiellosen Aufschwung erlebt. Laut aktuellen Marktanalysen nutzt inzwischen ein erheblicher Teil der Bevölkerung in Europa und Nordamerika regelmäßig Vitamine oder Mineralstoffe, um die Gesundheit zu fördern, die Leistungsfähigkeit zu steigern oder ernährungsbedingte Defizite auszugleichen. Parallel dazu steigt die Zahl der Menschen, die sich für eine vegane oder vegetarische Ernährung entscheiden. Während der Konsum pflanzlicher Lebensmittel im Alltag zunehmend selbstverständlich wird, bleibt der Blick auf die Supplement-Routine oft oberflächlich. Viele Konsumentinnen und Konsumenten gehen davon aus, dass es sich bei Nahrungsergänzungsmitteln um neutrale Produkte handelt, die frei von tierischen Bestandteilen sind. Die Realität zeigt jedoch ein anderes Bild: Zahlreiche Präparate beruhen nach wie vor auf tierischen Rohstoffen, sei es in der Hauptsubstanz oder in den verwendeten Hilfsstoffen.
Die Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität ist erheblich. Menschen, die sich bewusst für eine pflanzenbasierte Lebensweise entscheiden, nehmen häufig unbemerkt Präparate zu sich, deren Inhaltsstoffe aus tierischer Produktion stammen. Daraus ergeben sich nicht nur ethische Konflikte, sondern auch Fragen nach Transparenz, Nachhaltigkeit und gesundheitlicher Qualität. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Entwicklung und Anwendung veganer Nahrungsergänzungsmittel an Bedeutung. Sie stellen nicht nur eine konsequente Ergänzung der pflanzlichen Ernährung dar, sondern sind zunehmend auch im Mainstream relevant, da sie gesundheitliche, ökologische und ethische Vorteile vereinen.
Historische Entwicklung und traditionelle Rohstoffquellen
Die Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln orientierte sich lange Zeit an der Verfügbarkeit und den Kosten von Rohstoffen. Gelatine beispielsweise wurde schon früh in der Pharmaindustrie genutzt, da sie leicht verfügbar und technologisch gut geeignet war, um Kapselhüllen zu formen. Sie wird aus Knochen, Knorpeln und Häuten von Schweinen und Rindern gewonnen und findet bis heute in einem Großteil der Kapselpräparate Anwendung. Auch bei Vitaminen wurden lange Zeit tierische Ausgangsstoffe bevorzugt. Vitamin D3 etwa wird klassisch aus Lanolin, dem Wollfett von Schafen, extrahiert – ein Prozess, der in der Industrie seit Jahrzehnten etabliert ist.
Omega-3-Fettsäuren wiederum stammen traditionell aus Fischöl, das durch großflächige industrielle Fischerei gewonnen wird. Kollagenpräparate, die in den letzten Jahren einen enormen Popularitätsschub erfahren haben, beruhen fast ausschließlich auf tierischen Nebenprodukten aus der Fleisch- und Lederindustrie. Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Supplement-Industrie historisch eng mit der Nutzung tierischer Rohstoffe verbunden ist.
Gesundheitliche Dimension: Bioverfügbarkeit, Reinheit und Verträglichkeit
Ein zentrales Argument für die Entwicklung veganer Supplements betrifft die gesundheitliche Qualität. Während tierische Rohstoffe häufig kostengünstig sind, bergen sie bestimmte Risiken. Rückstände von Antibiotika, Hormonen oder Schwermetallen sind in tierischen Ausgangsstoffen nicht ausgeschlossen. Vegane Alternativen hingegen basieren in der Regel auf Fermentation, Pflanzenextrakten oder Mikroorganismen und sind dadurch oft frei von solchen Belastungen.
Darüber hinaus haben sich die Technologien der Herstellung in den letzten zwei Jahrzehnten erheblich weiterentwickelt. Vitamin B12, das für vegane Ernährung essenziell ist, wird beispielsweise durch bakterielle Fermentation gewonnen. Die resultierenden Formen wie Methylcobalamin oder Cyanocobalamin zeichnen sich durch eine hohe Stabilität und Bioverfügbarkeit aus. Auch Vitamin D3 aus Flechten ist chemisch identisch mit lanolinbasiertem Vitamin D3 und weist die gleiche physiologische Wirksamkeit auf. Bei Omega-3-Fettsäuren bieten Algenölpräparate nicht nur den Vorteil der Schadstofffreiheit, sondern auch eine direkte Bereitstellung der bioaktiven Fettsäuren EPA und DHA, ohne dass der Körper eine Umwandlung vornehmen muss.
Besonders spannend sind neue Ansätze im Bereich Kollagen-Booster. Während tierisches Kollagen lediglich in seine Aminosäuren zerlegt und im Körper wiederverwendet wird, setzen vegane Produkte gezielt auf eine Kombination von Aminosäuren wie Glycin, Prolin und Lysin in Verbindung mit Vitamin C. Diese wirken direkt auf die endogene Kollagensynthese und können somit auf physiologische Weise die Bildung von körpereigenem Kollagen unterstützen. Eine gezielte Versorgung mit diesen Bausteinen könnten einen messbaren Einfluss auf Hautelastizität und Gelenkgesundheit haben, ohne dass dafür tierisches Kollagen notwendig wäre.
Nachhaltigkeit und ökologische Implikationen
Die ökologischen Auswirkungen tierischer Supplementproduktion sind erheblich. Fischöl stellt hier ein eindrückliches Beispiel dar: Jährlich werden Millionen Tonnen Fisch aus den Weltmeeren gefischt, ein großer Teil davon nicht für den menschlichen Verzehr, sondern für die Weiterverarbeitung zu Fischöl oder Tierfutter. Dies trägt maßgeblich zur Überfischung bei und gefährdet marine Ökosysteme.
Auch die Gelatineproduktion ist eng mit der Massentierhaltung verbunden, deren ökologischer Fußabdruck in Form von Methanemissionen, Wasserverbrauch und Flächenbedarf bekanntlich problematisch ist.
Vegane Supplements hingegen greifen auf Rohstoffe zurück, die nachhaltig produziert werden können. Mikroalgen lassen sich in geschlossenen Systemen kultivieren, benötigen wenig Fläche und Wasser und sind unabhängig von marinen Ökosystemen. Flechten, die für Vitamin D3 genutzt werden, sind ebenfalls eine ressourcenschonende Quelle. Fermentationsverfahren, die für die Herstellung von B-Vitaminen eingesetzt werden, ermöglichen eine kontinuierliche, kontrollierte und umweltfreundliche Produktion. Diese Produktionsformen stehen in deutlichem Kontrast zu den ressourcenintensiven Prozessen tierischer Rohstoffgewinnung.
Kritische Nährstoffe in veganer Ernährung
Ein häufiges Argument gegen vegane Ernährung ist das Risiko von Nährstoffdefiziten. Tatsächlich gibt es bestimmte Mikronährstoffe, die in pflanzlicher Ernährung in geringer Menge oder schwer bioverfügbarer Form vorkommen. Dazu zählen insbesondere Vitamin B12, Vitamin D3, Omega-3-Fettsäuren sowie Mineralstoffe wie Eisen, Zink, Jod und Selen.
Vegane Supplements bieten hier eine gezielte Lösung. Vitamin B12 aus bakterieller Fermentation stellt sicher, dass ein essenzieller Nährstoff, der für Blutbildung, Nervengesundheit und DNA-Synthese unverzichtbar ist, zuverlässig zugeführt werden kann. Vitamin D3 aus Flechten ist eine gleichwertige Alternative zu Lanolinpräparaten und wird in nördlichen Breitengraden ganzjährig empfohlen. Omega-3-Fettsäuren aus Algenöl decken den Bedarf an DHA und EPA und bieten damit dieselben gesundheitlichen Vorteile wie Fischöl – allerdings ohne die Nachteile der marinen Überfischung. Auch Eisen, Zink und Selen lassen sich in chelatierten oder mineralischen Formen pflanzlichen Ursprungs gut supplementieren, sodass eine adäquate Versorgung gewährleistet ist.
Ethische Aspekte und Konsumentenbewusstsein
Neben den gesundheitlichen und ökologischen Dimensionen spielen auch ethische Erwägungen eine große Rolle. Viele Menschen entscheiden sich bewusst für eine vegane Lebensweise, um Tierleid zu vermeiden. Nicht-vegan formulierte Supplements unterlaufen diese Entscheidung jedoch häufig, da sie auf Rohstoffen aus Schlachtabfällen, Fischfang oder industrieller Tierhaltung beruhen. Besonders problematisch ist die mangelnde Transparenz. Hersteller kennzeichnen Inhaltsstoffe oft nur mit chemischen Fachbegriffen, die für Laien nicht nachvollziehbar sind. Begriffe wie „Cholecalciferol“ für Vitamin D3 oder „Hydrolyzed Collagen“ verschleiern den tierischen Ursprung. Auch Marketingformulierungen wie „rein“ oder „natürlich“ können irreführend sein und suggerieren eine pflanzliche Herkunft, obwohl tatsächlich tierische Rohstoffe verarbeitet wurden.
Diese fehlende Transparenz führt dazu, dass Konsumentinnen und Konsumenten unbewusst Produkte einnehmen, die nicht mit ihren Werten vereinbar sind. Vegane Nahrungsergänzungsmittel bieten hier eine konsequente Alternative, da sie in der Regel klar deklariert sind und häufig eine Zertifizierung durch unabhängige Stellen tragen.
Zukunftsperspektiven: Paradigmenwechsel in der Supplement-Industrie
Die Entwicklung hin zu veganen Supplements ist nicht nur ein Nischentrend, sondern ein grundlegender Paradigmenwechsel in der Nahrungsergänzungsmittel-Industrie. Immer mehr Hersteller erkennen die wachsende Nachfrage nach transparenten, nachhaltigen und ethisch vertretbaren Produkten. Innovationen im Bereich der Rohstoffgewinnung – etwa die großtechnische Fermentation von Vitaminen oder die Kultivierung von Mikroalgen – eröffnen völlig neue Möglichkeiten.
Darüber hinaus verändert sich auch die Wahrnehmung der Konsumentinnen und Konsumenten. Nahrungsergänzungsmittel werden zunehmend nicht nur unter gesundheitlichen, sondern auch unter ökologischen und ethischen Gesichtspunkten bewertet. Dies spiegelt sich in Marktstudien wider, die zeigen, dass besonders jüngere Zielgruppen eine klare Präferenz für vegane und nachhaltige Produkte haben. Die Zukunft der Supplement-Branche wird daher stark von diesen Entwicklungen geprägt sein.
Fazit
Vegane Nahrungsergänzungsmittel sind mehr als eine Ergänzung für Menschen mit rein pflanzlicher Ernährung. Sie stehen für einen umfassenden Ansatz, der Gesundheit, Nachhaltigkeit und Ethik miteinander verbindet. Während nicht-vegane Präparate auf jahrzehntealten, kostengünstigen, aber problematischen Rohstoffen basieren, nutzen vegane Alternativen innovative Herstellungsverfahren, die sowohl gesundheitlich überzeugend als auch ökologisch und ethisch überlegen sind.
Die „traurige Wahrheit“ hinter nicht-veganen Supplements ist, dass sie häufig unbewusst konsumiert werden, ohne dass Verbraucherinnen und Verbraucher über deren Herkunft informiert sind. Damit entsteht ein Widerspruch zwischen individuellem Gesundheitsbewusstsein und globaler Verantwortung. Vegane Supplements lösen diesen Konflikt auf: Sie sind wissenschaftlich fundiert wirksam, frei von tierischen Rückständen, ressourcenschonend produziert und ethisch konsequent.
Die Supplement-Industrie steht damit an einem Wendepunkt. Zukünftig werden Produkte erfolgreich sein, die nicht nur die Nährstoffversorgung sichern, sondern auch den Anforderungen einer bewussteren und nachhaltigeren Gesellschaft gerecht werden. Für Konsumentinnen und Konsumenten bedeutet dies: Wer heute zu veganen Nahrungsergänzungsmitteln greift, entscheidet sich nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch für eine bessere Zukunft.
Quellen:
- Nieto, Á.V.A., Diaz, A.H. & Hernández, M. Are there Effective Vegan-Friendly Supplements for Optimizing Health and Sports Performance? a Narrative Review. Curr Nutr Rep 14, 44 (2025). https://doi.org/10.1007/s13668-025-00633-4
- Wang T, Masedunskas A, Willett WC, Fontana L. Vegetarian and vegan diets: benefits and drawbacks. Eur Heart J. 2023 Sep 21;44(36):3423-3439. doi: 10.1093/eurheartj/ehad436. PMID: 37450568; PMCID: PMC10516628.
- Nieto, Álvaro Vergara A et al. “Are there Effective Vegan-Friendly Supplements for Optimizing Health and Sports Performance? a Narrative Review.” Current nutrition reports vol. 14,1 44. 12 Mar. 2025, doi:10.1007/s13668-025-00633-4