
Was geschieht mit Nahrungsergänzungsmitteln nach der Einnahme?
Was geschieht mit Nahrungsergänzungsmitteln nach der Einnahme?
Nahrungsergänzungsmittel sind für viele Menschen ein integraler Bestandteil eines gesundheitsbewussten Lebensstils. Die zentrale Frage lautet jedoch: Was passiert mit Nahrungsergänzungsmitteln unmittelbar nach dem Schlucken? In diesem Beitrag wird der physiologische Weg eines Supplements detailliert dargestellt, einschließlich der entscheidenden Einflussfaktoren auf die Bioverfügbarkeit, der Rolle individueller Unterschiede und der Relevanz hochwertiger Produktformulierung.
Transit durch Magen und Dünndarm: Erste Verdauungsschritte
Nach oraler Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels passiert die Substanz zunächst die Speiseröhre und gelangt in den Magen. Hier findet eine erste Verarbeitung durch die Magensäure (HCl) und das Enzym Pepsin statt. Diese lösen die physikalische Hülle von Tabletten oder Kapseln auf und setzen die aktiven Wirkstoffe frei. Dabei beeinflussen galenische Faktoren wie Tablettenhärte, Überzüge oder Verkapselungstechniken die Geschwindigkeit der Freisetzung erheblich.
Formulierungen wie magensaftresistente Kapseln sind darauf ausgelegt, die Freisetzung empfindlicher Substanzen erst im Dünndarm zu ermöglichen. Dies schützt hitze- oder säurelabile Stoffe wie bestimmte Probiotika, Omega-3-Fettsäuren oder einige B-Vitamine. Zudem beeinflusst der Magenfüllstand die Transitzeit: Ein leerer Magen beschleunigt die Magenentleerung und damit die Freisetzung, während ein voller Magen den Prozess verzögern kann.
Interessanterweise kann auch der pH-Wert im Magen, der durch Alter, Erkrankungen (z.B. Gastritis) oder Medikation (Protonenpumpenhemmer) beeinflusst wird, die Stabilität und Freisetzung der Inhaltsstoffe verändern.
Absorptionsmechanismen im Dünndarm
Im Dünndarm, insbesondere im Jejunum und Ileum, findet die hauptsächliche Absorption statt. Hier sind verschiedene Transportsysteme aktiv:
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Passive Diffusion (lipophile Moleküle)
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Carrier-vermittelter Transport (z.B. Glukose, Aminosäuren, Calcium)
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Aktiver Transport (z.B. Vitamin B12 mit Intrinsic Factor, Eisen über DMT1)
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Endozytose (z.B. große Proteinkomplexe oder liposomale Strukturen)
Die Bioverfügbarkeit, definiert als der Anteil eines verabreichten Wirkstoffs, der unverändert im systemischen Kreislauf erscheint, ist der zentrale Maßstab für die Effektivität eines Supplements.
Rolle der Gallensäuren und des pH-Werts
Fettlösliche Vitamine (A, D, E, K) benötigen zur Absorption die Anwesenheit von Gallensäuren, die aus der Gallenblase in den Dünndarm sezerniert werden. Diese emulgieren Lipide und ermöglichen die Bildung von Mizellen, welche die fettlöslichen Vitamine löslich machen und ihre Aufnahme erleichtern. Auch Coenzym Q10 oder Curcumin profitieren von diesen Mechanismen. Ein zu niedriger oder zu hoher pH-Wert im Dünndarm kann die Aktivität von Verdauungsenzymen und die Löslichkeit bestimmter Mineralstoffe (z. B. Zink, Magnesium) erheblich beeinflussen.
Einfluss von Stoffkombinationen auf die Bioverfügbarkeit
Synergistische Kombinationen können die Resorption verstärken. Beispiele sind:
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Vitamin C und Eisen: Ascorbinsäure reduziert dreiwertiges zu zweiwertigem Eisen und fördert dessen Aufnahme.
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Vitamin D und Calcium: Vitamin D stimuliert die Expression calciumtransportierender Proteine im Darmepithel.
Antagonistische Wechselwirkungen können hingegen hemmend wirken:
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Calcium und Magnesium: Konkurrenz um Transportmechanismen kann die Aufnahme beider Mineralien reduzieren.
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Phytate und Zink/Eisen: Pflanzliche Phytinsäure (z.B. in Weizen und Hafer) kann chelatbildend wirken und die Absorption hemmen.
Optimierung der Resorption durch Technologie
Neue galenische Konzepte zielen darauf ab, die Bioverfügbarkeit gezielt zu erhöhen. Dazu zählen:
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Liposomale Verkapselung für fettlösliche Substanzen
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Mizellenbildung mithilfe von Emulgatoren
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Nanopartikel-Technologie, um die Resorptionsfläche zu vergrößern
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Bioenhancer wie Piperin, die Enzyme hemmen und die intestinale Durchlässigkeit steigern
Auch zeitlich abgestimmte Einnahmen (z. B. fettlösliche Vitamine mit Hauptmahlzeit, wasserlösliche Vitamine nüchtern) können die Aufnahme verbessern.
Metabolisierung in der Leber und systemische Verteilung
Nach Absorption gelangen die Nährstoffe über die Pfortader in die Leber. Hier finden Phase-I- und Phase-II-Metabolisierungen statt:
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Phase I: Funktionalisierung durch Oxidation, Reduktion oder Hydrolyse (z.B. Cytochrom-P450-System)
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Phase II: Konjugation mit hydrophilen Molekülen wie Glucuronsäure oder Sulfatgruppen
Diese Prozesse beeinflussen die biologische Aktivität und Halbwertszeit der Substanzen.
Erst danach erfolgt die systemische Verteilung über den Blutkreislauf zu den Zielgeweben:
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Knochen (z.B. Calcium, Vitamin D)
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Muskulatur (z.B. Magnesium, Kreatin)
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Immunsystem (z.B. Zink, Vitamin C)
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Nervensystem (z.B. Omega-3-Fettsäuren, B-Vitamine)
Die Verteilung wird durch Faktoren wie Molekülgröße, Lipophilie, Bindung an Transportproteine (z. B. Transferrin, Albumin) und die Expression zellspezifischer Rezeptoren bestimmt.
Einfluss der Qualität auf die Supplement-Wirkung
Die Effektivität eines Nahrungsergänzungsmittels ist eng an die Qualität der verwendeten Rohstoffe und die Herstellungsprozesse geknüpft. Entscheidende Qualitätsmerkmale sind:
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Rohstoffgüte: Hohe Reinheit, standardisierte Wirkstoffgehalte, Minimierung von Kontaminationen (z.B. Schwermetalle, Pestizide)
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Optimierung der Resorption: Verbesserung der Bioverfügbarkeit (z.B. liposomale Verkapselung, Bioenhancer)
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Freisetzungsprofile: Modifizierte Freisetzung (z.B. Retardtabletten) für gleichmäßige Plasmaspiegel
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Synergistische Formulierungen: Kombinierte Inhaltsstoffe, die sich gegenseitig in Wirkung und Aufnahme verstärken
Auch das Timing der Einnahme sowie das Vermeiden antagonistisch wirkender Kombinationen sind für die individuelle Wirksamkeit entscheidend.
Fazit: Der komplexe Weg zur Wirksamkeit
Was passiert mit Supplements unmittelbar nach dem Schlucken? – diese Frage offenbart ein komplexes Zusammenspiel physiologischer Prozesse.
Die Wirksamkeit eines Nahrungsergänzungsmittels hängt davon ab, ob es den gesamten Weg von der Einnahme über die Freisetzung, Absorption, Metabolisierung und Verteilung bis zur Interaktion mit Zielgeweben effizient bewältigt. Nur hochwertige, wissenschaftlich fundierte Supplemente mit optimierter Bioverfügbarkeit können diese Hürden erfolgreich nehmen und einen spürbaren Beitrag zur Gesundheit leisten.
Eine fundierte Auswahl, angepasst an individuelle Bedürfnisse, unter Berücksichtigung der neuesten ernährungswissenschaftlichen Erkenntnisse, bildet die Grundlage einer erfolgreichen und sicheren Supplementierung im modernen Gesundheitsmanagement.
Langfristig gesehen ist das Verständnis dieser Prozesse essenziell, um den verantwortungsvollen und effektiven Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln in Prävention und Therapie weiterzuentwickeln.
Quellen:
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